RÜCKSCHAU

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Welt-MS Tag und EU Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung

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Mit und ohne Behinderung

Zum zweiten Mal wurde anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung in Marburg auf dem Elisabeth Blochmann von 10.00 bis 17.00 Uhr die Lebenswelt mit Behinderung erfahrbar/erfühlbar für Menschen ohne Behinderung. Motto war Mitmachen und Ausprobieren – Erleben was möglich ist – Erfahren was nötig ist.

Eine Verbindung aus nachgeholtem EU-Protesttag, vorgezogenem Welt Multiple-Sklerose Tag in Kombination mit dem Aufruf nach Barrierefreiheit des VDK fand am 10. Mai im Aktionstag auf dem Elisabeth Blochmann seinen Ausdruck.
Der EU Protesttag stellte die Frage „Wie barrierefrei ist Deine Stadt“, der Welt MS Tag ergänzt mit seiner Forderung „Selbst Bestimmt Leben“ und der VDK unterstützt mit der Unterschriftenaktion „Abbau von Barrieren“. Wiederspiegeln sollte sich das im vielfältigen Programm der vielen Kooperationspartner die den Elisabeth Blochmann Platz mit buntem Leben füllten. Inklusion ist nur lebbar, also machten die teilnehmenden Organisationen mit ganz unterschiedlichen Mitmachaktionen das Erleben von Behinderung möglich.
Ein reichhaltiges Angebot an Infomaterial u.a. zur UN Behindertenrechtskonvention (auch in leichter Sprache), Universelles Bauen, barrierefreie Stadtplanung, Barriere-Checker, etc. zeigten Wege zu mehr Selbständigkeit , zu mehr Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung.

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Bei der Begrüßung sagte der Schirmherr der Veranstaltung Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, dass Behinderung nicht das persönliche Problem des Menschen mit Behinderung bleiben dürfe, sondern es Aufgabe der Gesellschaft ist, Behinderungen und Barrieren zu beseitigen. Gelingt das, dann kann man von Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung sprechen.

Besonders war der 2. Aktionstag in Marburg, weil im Vorfeld bei den Schulen intensiv um aktive Teilnahme geworben wurde.
Viele Schüler probierten dann mit Neugierde, Erstaunen aber auch Freude aus, wie Gebärdensprache funktioniert, wie man blind auf eine Torwand schießt, wie man mit dem Rolli im Sand oder über Äste vorwärtskommt, wie sich simulierte Gesichtsfeldeinschränkungen des Auges u.a. bei MS auswirken, wie man mit Handschuhen Schleifen bindet oder Knöpfe schließt, wie das Gleichgewicht reagiert beim Gang über eine Luftmatratze, welche Hilfsmittel sich für was eignen und vieles mehr. Verständnis entsteht, Hemmschwellen im Kontakt mit Menschen mit Behinderung werden abgebaut und der etwas andere Blick auf die Umwelt wird nachvollziehbar.
Daneben wurden die Sinne kulinarisch gefordert, Kaffee und Kuchen regten zum gemütlichen Austausch über das Erlebte an, eine Oase in der Mitte bot Gelegenheit für Kinder zu malen oder bemalt zu werden.
Das Mitmachprogramm für alle ergänzte der Kinder und Jugendzirkus e.V., vermeintlich Nichtbehinderte kamen relativ schnell u.a beim Jongliere von Tellern und mit dem Einrad an ihre Grenzen.
Jeder Mensch ist also irgendwie Imperfekt.

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Nicht im Protest stecken bleiben, sondern Handeln und zum Handeln aufrufen, das war bei allen Beteiligten deutlich spürbar. Mit den Worten des Sponsors des Aktionstages, der Aktion Mensch, gesprochen: „Das WIR gewinnt“.

Ein Bonbon zum Schluss. Ohne jede Scheu kam von sich aus ein kleiner Junge mit Down Syndrom und half dem auf den Rollstuhl angewiesen Gruppenleiter der Multiple-Sklerose Selbsthilfegruppe beim Abbau des Infostandes. Zur Belohnung gab es Süßes, eine echte win win Situation zum Abschluss, wie man nicht nur an den strahlenden Kinderaugen ablesen konnte.

Bernd Gökeler

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Gutes Bundesteilhabegesetz jetzt

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Demo für ein gutes Bundesteilhabegesetz

An der Demonstration in Berlin am 04.05.2016 für ein gutes Bundesteilhabegesetz nahmen auch 2 Mitglieder der Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf teil. Mit einer Kundgebung vor dem Kanzleramt mit anschließendem Protestmarsch Richtung Brandenburger Tor und dortigem Bühnenprogramm machten nach Angaben des Berliner Behindertenverbandes ca. 5.000 Teilnehmer auf die, aus ihrer Sicht, gravierenden Mängel des Bundesteilhabegesetzes aufmerksam. Motto: „Gegen die Verweigerung der Teilhabe mitten in der Gesellschaft.“

Die Abordnung aus der MS SHG, Heike Emmel und Christ Trilse, gehört zu den 7,5 Mio. Menschen mit Behinderung, denen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit der Überschrift „Deutschlands Zukunft gestalten“ ein modernes Bundesteilhabegesetz zugesichert wurde. Nach der Ratifizierung der UN Behindertenrechtskonvention 2009 sollte damit Inklusion in der Gesetzgebung verbindlich ankommen. Der nun vorliegende 369 Seiten starke Gesetzesentwurf
wird in vielen Stellungnahmen aber als unzureichend oder sogar Rückschritt bezeichnet.
Dr. Sigrid Arnade von der Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben geht sogar soweit, „besser kein Gesetz als dieses“.

Wesentlicher Punkt der Kritik ist, dass das lange erkämpfte Wunsch- und Wahlrecht mit einem Kostenvorbehalt versehen werden soll. Das heißt Menschen mit Behinderung können aus wirtschaftlichen Gründen auf die Unterbringung in Wohngruppen, früher Heimen, verwiesen werden. Die Wahl zu einer eigenen Wohnung hängt damit vom Willen des Kostenträgers ab. Nach Ansicht vieler ein klarer Verstoß gegen die UN BRK, in der die oberste Priorität kurz zusammengefasst lautet: nichts über uns ohne uns. Das Forum behinderter Jurist*innen ist „entsetzt darüber, was uns als Verbesserung zu verkaufen versucht wird“.

Die Bedürftigkeitsprüfung bleibt, bei etwas geänderten Vermögensfreigrenzen und gering geänderten Einkommensgrenzen. Wenn der Bezieher der Teilhabe-Leistung Grundsicherungsbezieher ist, was relativ häufig der Fall ist, ändert sich nichts. Allein die geringen Erwerbsunfähigkeitsrenten im Durchschnitt bei 613,- €, führen in die schon lange beklagte Armut durch Krankheit. Corinna Rüffer, SPD Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung forderte daher, „Behinderung darf nicht zur Armutsfalle werden“.

Große Kritik erhebt sich auch gegen die mögliche Verschiebung von Teilhabeleistungen in die Pflegekasse. Betroffene befürchten Objekt der Fürsorge zu bleiben und zwischen den beiden Kostenträgern noch mehr um ihr Recht kämpfen zu müssen.
Die Finanzierung der Teilhabeleistung bleibt in Händen der Bundesländer und Kommunen, während die 5 Mio. €, die ursprünglich zur zweckgebundenen Entlastung im Rahmen des Bundesteilhabegesetz geplant waren, längst von dieser Zweckbindung frei sind. Kern des Gesetzes ist selbst nach Angaben der Bundesregierung, keine Kostendynamik im Bereich Teilhabe zuzulassen. Das heißt, Inklusion ohne Mehrkosten. Die Vorsitzende des VDK sagte: „ohne ausreichende Finanzierung bleibt das Gesetz nur Papier mit gut gemeinten Worten“.

Der Gruppenleiter der MS SHG Marburg-Biedenkopf, der öffentlich für die Teilnahme an der Demo intensiv geworben hat, wundert sich über das geringe spürbare Engagement der großen Verbände. „Schließlich geht es bei der Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechtes um einen Rückschritt hinter die Zeiten der Integration. Freie Wahl der Wohnform, freie Wahl der Arbeitsform, freie Wahl des Betreuers, etc. sind Grundrecht. Es geht nicht um Luxus, sondern nur darum mit Behinderung so leben zu können wir alle anderen auch und das sichert nicht nur die UN BRK zu, sondern auch das Grundgesetz. Inklusion ist kein neues Vorrecht, sondern Teil des Grundgesetzes. „Der Staat hat die Voraussetzungen zu schaffen, dass allen Bundesbürgern ein menschenwürdiges Dasein und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht wird. Es ist Aufgabe des Staates, für soziale Gerechtigkeit und für den Ausgleich sozialer Gegensätze und Ungleichheiten zu sorgen.“ wie es das Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren ausgeführt hat. Bei der Verleihung des Karlspreises diese Woche hat Papst Franziskus die Forderung nach Inklusion noch kürzer auf den Punkt gebracht: „Aufgabe ist die Wandlung von der hindernislosen Gesellschaft zur sozialen Gesellschaft“. Das muss sich in einem Bundesteilhabegesetz das den Namen auch verdient wiederfinden,“ so Gökeler.

Nach Ansicht der beiden Mitglieder der MS SHG Marburg-Biedenkopf war die von der ISL zur Demo mitgebrachte Freiheitsstatue im Rollstuhl das passende Symbol. Freiheitsrechte gelten uneingeschränkt für alle Menschen.

Bernd Gökeler

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Kultusminister ehrt Aktive des run for help

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Kultusminister ehrt Aktive des run for help

Vertreter der Schulen aus Hessen und die Ehrenamtlichen Helfer, die gemeinsam Spendenläufe zugunsten von Menschen mit Multiple-Sklerose ausrichten, wurden durch den Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz für ihr vorbildliches Engagement geehrt. Dazu hatte er als Schirmherr der Spendenläufe zusammen mit MdL Astrid Wallmann als Schirmherrin der DMSG Hessen in den Landtag nach Wiesbaden eingeladen.

Run for Help, gesunde Füße laufen für kranke Füße, unter diesem Slogan organisieren Schulen und Vertreter der Selbsthilfegruppen vor Ort und der DMSG Hessen seit vielen Jahren Spendenläufe. Vor dem Lauf finden sogenannte Infotage statt. Multiple-Sklerose Erkrankte gehen in die Schulen, berichten aus ihrem Alltag, erklären die Erkrankung MS, stellen die Arbeit der Selbsthilfe vor und bringen als Höhepunkt die Fühlstraße mit. Mit großer Begeisterung und großem Interesse können Schüler jeden Alters ausprobieren, wie sich die verschiedensten Behinderungen anfühlen. Die Simulation insbesondere des eingeschränkten Gleichgewichts mittels einer Luftmatratze wird als sehr plastisch wahrgenommen. Das Ausprobieren des mitgebrachten Rollstuhls wird ganz unbefangen erlebt. Barrieren und Hemmungen im Umgang miteinander fallen. Für den Spendenlauf selber suchen sich die Schüler Sponsoren, die bereit sind für jede gelaufene Runde eine bestimmte Summe zu spenden.
„Selbstverständlich feuern die Gruppenmitglieder die Schüler an und fahren aus Solidarität auch einige Runden mit dem Rollstuhl mit,“ so Bernd Gökeler der Gruppenleiter der Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf. „In der Begegnung lernen beide Seiten, Barrieren in den Köpfen der nächsten Generation werden abgebaut oder entstehen erst gar nicht.“
2014 erreichte die Schule in Lohra den Rekord aller hessischen Grundschulen, 2015 übertraf dieses phantastische Ergebnis mit einem neuen Rekord die Grundschule in Fronhausen.

Für diesen auch im pädagogischen Sinne vorbildlichen Einsatz verlieh der Kultusminister Lorz Ehrenurkunden, u.a. an Heike Emmel, Margret Wimmel und Bernd Gökeler aus der Selbsthilfe-Gruppe Marburg-Biedenkopf. „Das ist eine großartige Arbeit, die Sie leisten. Dafür möchten wir Ihnen für Ihr ehrenamtliches Engagement unsere Wertschätzung zeigen“, betonte der Minister.
„Es ist wichtig Menschen, die an Multiple-Sklerose erkrankt sind, in ihrem täglichen Kampf zu unterstützen, Die Schüler, Lehrer, Eltern und die Ehrenamtlichen aus den MS-Gruppen ermöglichen erst diese Läufe und investieren viel Zeit und Energie für die gute Sache. Sie geben damit ein Beispiel und ermuntern hoffentlich weitere Schulen, ebenfalls einen Run for Help auszurichten.“
Bernd Gökeler

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Begegnung mit dem jungen „alten Fritz“

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Begegnungen mit dem jungen „Alten Fritz“

Friedrich der Große hat im Rückblick seine Tage als Prinz in Rheinsberg als die schönsten seines Lebens bezeichnet und so waren es in der 2. Septemberwoche auch 7 schön(st)e Tage für die MS SHG Marburg-Biedenkopf im Ruppiner Land. Rheinsberg als Residenzstadt bot mit dem Haus Rheinsberg absolut barrierefreies Quartier und vorzügliche Küche direkt mit Blick auf den Grienericksee. Ausflüge in die Stadt des Baumeisters Schinkel, nach Neuruppin, standen ebenso auf dem Programm wie der sehr nachdenklich stimmende Besuch der Gedenkstätte des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück, die Kremserfahrt mit vorbildlich barrierefreiem Planwagen durch den Rheinsberger Schlosspark, eine Fahrt wahlweise nach Berlin oder Potsdam und die Schifffahrt über die Rheinsbergerseen. 28 Personen davon 11 Rollstuhlfahrer_innen, 2 mit Rollator, 2 mit Stock, 4 ehrenamtlichen Helfer_innen und eine 24 Stunden Assistenz, ein Mammutprojekt organisatorisch wie finanziell, aber wie schon 2006 ein Highlight für die Gruppenmitglieder.
Bernd Gökeler

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Welt MS Tag 2015

MS reißt Löcher in den Alltag - Welt MS Tag 2015

27.05.2015
Ganz nach dem Motto des Welt-Multiple-Sklerose-Tages gestaltete die MS SHG Marburg-Biedenkopf Ihre Infoaktion auf dem Gerhard-Jahn-Platz. Im Mittelpunkt stand die aktive Begegnung mit Passanten, um auf die Probleme im Alltag von Chronisch Kranken und Behinderten Menschen und die Arbeit der Selbsthilfegruppe im Landkreis aufmerksam zu machen. Der Infostand war daher vielfältig mit Infomaterial zu den Themen Multiple-Sklerose, Behinderung, Pflege, Erwerbunfähigkeitsrente, Teilhabeleistungen, Armutsbericht, Barrierefreies Bauen,  Gemeinschaftliche Wohnformen, etc. bestückt.  Daneben haben die Mitglieder der Gruppe die Gewerbetreibenden vor Ort, die Banken ja auch eine Krankenkasse aufgesucht, um den sonst abstrakten Anliegen ein Gesicht zu geben.

MS reißt Löcher in den Alltag, weil die Kräfte weniger werden, um den Ansprüchen im Beruf, in der Familie etc. gerecht zu werden, weil die schnelle Erschöpfbarkeit die Vorhaben für den nächsten Tag unmöglich macht, weil Schmerzen enge Grenzen setzen, weil Spastiken und Lähmungen den Bewegungsradius einengen, weil kognitive Defizite Planung und Kommunikation verringern, weil eine lebensbegleitende und unberechenbare Erkrankung die Psyche belastet etc. weil MS eben 1.000 und 1 Gesichter hat.

Aufgabe ist es die Löcher im Alltag nicht zu schwarzen Löchern werden zu lassen, die den MS-Betroffene als Mensch bedrohen, durch das Fortschreiten der MS zu verschlucken drohen. Und dazu braucht es mehr als nur die Medizin, dazu braucht es Akzeptanz der entstehenden Defizite im persönlichen Umfeld und am Arbeitsplatz, eine Erwerbsunfähigkeitsrente die über den momentan durchschnittlichen 613,- € liegt, bezahlbaren barrierefreien Wohnraum mit der notwendigen barrierefreien Infrastruktur, bezahlbare barrierefreie Mobilität, dazu muss die Teilhabeleistung ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt werden, dazu braucht es Kranken und Pflegekassen, die die Bedürfnisse der Chronisch Kranken in den Mittelpunkt stellen, etc.

„Inklusion ist ein Menschenrecht“, so Bernd Gökeler, der Gruppenleiter der MS SHG Marburg-Biedenkopf, „aber sie muss gelebt, bedacht, bezahlt etc. werden, nur über Inklusion reden hilft wenig gegen die schwarzen Löcher im alltäglichen Leben mit MS.“

Bernd Gökeler