RÜCKSCHAU
Kommunikation in der Tierwelt – Ausflug in den Opel-Zoo
Tiere belauscht
Eine der wenigen frühsommerlichen Regenpausen nutzend fuhr die MS-SHG Marburg-Biedenkopf Anfang Juni in den Opel-Zoo. Zur Begrüßung schlug vor dem Eingang ein Pfau sein eindrucksvolles Rad. In 2 Gruppen gingen die Führungen los, Schwerpunkt war die Kommunikation bei Tieren. So unterhalten sich Giraffen mit Infraschall, zu tief um sie mit dem menschlichen Ohr wirklich zu belauschen. Neben anderen Lauten nutzen Elefanten ebenfalls Infraschall, es wird sogar vermutet, dass sie diesen mit den Fußsohlen wahrnehmen können.
Die Stachelschweine zeigten in voller Erregung ihre Widerborstigkeit, Erdmännchen verfügen für jeden Feind über einen speziellen Warnschrei und Hyänen signalisieren mit verschiedenen Duftstoffen. Der Duft von Pommes und Bockwurst gab das eindeutige Signal im Anschluss an die Führung eine Pause zu machen. Danach gab es je nach Leistungsfähigkeit des Einzelnen und Steigungsfähigkeit des Rollstuhles 27 ha Zoogelände, 230 Tierarten und 1.600 Tiere zu erkunden. Aber auch wer weniger aktiv sein wollte konnte ein Eis genießend den wunderbaren Blick über die Afrika Savanne bis nach Kronberg schweifen lassen. Im Vordergrund ein künstlicher Affenbrotbaum, pflegeleicht wie ihn sich der kleine Prinz gewünscht hätte, im Hintergrund das Schloss Friedrichshof.
Ebsdorfergrund, den 17.6.2016 Bernd Gökeler
Finanzminister Schäfer im Gespräch zum Bundesteilhabegesetz
Gespräch zum Bundesteilhabegesetz mit Dr. Thomas Schäfer, Staatsminister der Finanzen des Landes Hessen, am 01.07.2016 in Hachborn
Vertreter*innen der Fachgruppe Behindertenhilfe des Paritätischen Hessen haben alle Mitglieder des Bundestages und des Landtages aus dem Wahlkreis Marburg-Biedenkopf eingeladen um über das Bundesteilhabegesetz zu sprechen.
Finanzminister Dr. Schäfer nahm sich am 01.7.2016 die Zeit sich mit Vertreter*innen der Behindertenhilfe auszutauschen. Dass die Proteste gegen das BTHG nicht ein Schrei nach „Mehr“ von unzufriedenen und enttäuschten Menschen mit Behinderung ist, sondern es sich um den eingeläuteten Rückschritt in der Behindertenhilfe mit gravierenden negativen Auswirkungen für die konkreten Lebenslagen von Menschen mit Behinderung, insbesondere der Schwächsten handelt, nahm der Minister betroffen und ernsthaft interessiert mit. Die 5 Mrd. die als Kompensation der Mehrbelastungen gedacht waren, führen nicht zum Erhalt des Status quo, sondern über das BTHG kommt es zu Einschnitten ins bestehende System. Einschnitte, die sich wie ein roter Faden durch das Gesetz ziehen und einen neuen Geist, aber nicht wie angekündigt positiv, umsetzen. Der Lebensalltag von Menschen mit Behinderung ist nicht zerlegbar in notwendige Einzelverrichtungen, unabhängig davon wer diese wie, wann, wo und mit welcher Qualifikation erbringt, um diese Einzelverrichtungen dann zu addieren, im Glauben, daraus wird ein lebbarer Alltag abgebildet. Das Gesetz ist überschrieben mit Modernisierung und Ausrichtung nach der UNBRK, das Gegenteil ist nach Einschätzung der Vertreter*innen der Behindertenhilfe der Fall und deshalb unterstützen sie die 6 Kernforderungen des DPWV Bundesverbandes mit dem Slogan: „Bundesteilhabegesetz – so nicht“!
Foto (Q.: Bernd Gökeler), von links:
Dr. Thomas Schäfer, Staatsminister der Finanzen des Landes Hessen
Bernd Gökeler, DMSG Landesverband Hessen e.V. MS SHG Marburg-Biedenkopf
Angelika Thielicke, Vorstand Spectrum e.V.
Robert Gißelmann, Vorstand Spectrum e.V.
Mark Koppelmann, Kreisgeschäftsführer der CDU Marburg-Biedenkopf
Ebsdorfergrund, den 10.07.2016 Bernd Gökeler
Run for Help Dreihausen
Run for Help in der Grundschule in Dreihausen
1.v.li. Bürgermeister Andreas Schulz, 2.v.li. Gruppenleiter Bernd Gökeler, re. Schulleiterin Hanna Homberger
Am 12.07.2016 fand in der Grundschule Dreihausen die Spendenübergabe aus dem Run for Help vom 03.06.2016 statt.
Die Kinder der Grundschule Dreihausen hatte sich beim Spendenlauf zugunsten Multiple Sklerose Erkrankter nicht vom Wetter in Ihrer Freude und Ihrem Ehrgeiz bremsen lassen. Zur Spendenübergabe lachte dann, wie zur Belohnung, die Sonne. Mit dem Schullied wie schon beim Lauf, stimmten die Schüler*innen alle Anwesenden auf die mit Spannung erwartete Scheckübergabe ein. In Vertretung von Bürgermeister Andreas Schulz, Schirmherr des Laufs, lobte Elisabeth Newton, Erste Beigeordnete, den vorbildlichen Einsatz der Kinder und der Grundschule Dreihausen. Sie betonte die große Bedeutung, sich mit dem Thema Krankheit und Behinderung auseinanderzusetzen. Auch das Engagement der Stärkeren für die Schwächeren, das Aufeinander-zugehen sei ganz wichtig in einer funktionierenden Gesellschaft.
Bernd Gökeler, der Gruppenleiter der Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf nahm Bezug auf den Text des Schulliedes, in dem es heißt „wir kennen keine Langeweile“, und das kann man nur bestätigt sehen, wenn man Flitze-pause, Naschgarten, Ernährungsführerschein, das Pflücken von 57 kg Erdbeeren bis hin zum „Freischneiden“ der Schulleiterin Hanna Homberger aus einem Auto durch die ortsansässige Feuerwehr im Rahmen der Projekttage aneinander reiht. In diese Reihe gehört auch der Spendenlauf und die Infotage zum Thema MS, Behinderung und Selbsthilfe im Vorfeld. „Eine Schule die vieles bewegt und damit viele bewegt“, so Gökeler weiter, der besonders die Offenheit, Freude und den Zusammenhalt der Kinder lobte. So haben beim Lauf erst die Älteren die Jüngeren und dann die Jüngeren die Älteren angefeuert.
Die Schulleiterin Hanna Homberger berichtete, dass Sie selber als Ergebnis des Laufs mit ca. 1.500,- € gerechnet hatte. Als klar war dass es mehr werden würde, gingen im Lehrerzimmer die Spekulationen los, aber niemand schätze die Spendensumme auf mehr als 3.500,- €. Weit gefehlt, tatsächlich kam die unglaubliche Summe von 5.304,85 € zusammen, die symbolisch in Form eines Schecks an die DMSG und die MS SHG übergeben wurde. Ein für Hessen rekordverdächtiges Ergebnis, rechnet man es auf die Anzahl der Läufer*innen herunter. Der Läufer mit den meisten Runden schaffte es 39 mal die sogenannte„Flitze-runde“ um das Gebäude der Schule zu drehen.
Im Namen der MS-Betroffenen, denen das Geld zu Gute kommt, bedankte sich Gökeler besonders bei den Läufer*innen und allen die diesen tollen Lauf ermöglicht haben.
„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, werden das Antlitz dieser Welt verändern“, zitierte Hanna Homberger passend aus einem Lied, dessen Text auf ein afrikanisches Sprichwort zurückgeht.
In Anerkennung des vorbildlichen Engagement erhielt die Schule vom Kultusminister Alexander Lorz, Schirmherr des Run for Help in Hessen, eine Ehren-Urkunde, die Monika Dettke, Leiterin der Sozialen Dienste der DMSG überreichte.
Der berechtigte Stolz der Kinder auf die selbst erbrachte Hilfe-Leistung war ihren Gesichtern abzulesen.
Ebsdorfergrund, 12.07.2016 Bernd Gökeler
Welt-MS Tag und EU Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung
Mit und ohne Behinderung
Zum zweiten Mal wurde anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung in Marburg auf dem Elisabeth Blochmann von 10.00 bis 17.00 Uhr die Lebenswelt mit Behinderung erfahrbar/erfühlbar für Menschen ohne Behinderung. Motto war Mitmachen und Ausprobieren – Erleben was möglich ist – Erfahren was nötig ist.
Eine Verbindung aus nachgeholtem EU-Protesttag, vorgezogenem Welt Multiple-Sklerose Tag in Kombination mit dem Aufruf nach Barrierefreiheit des VDK fand am 10. Mai im Aktionstag auf dem Elisabeth Blochmann seinen Ausdruck.
Der EU Protesttag stellte die Frage „Wie barrierefrei ist Deine Stadt“, der Welt MS Tag ergänzt mit seiner Forderung „Selbst Bestimmt Leben“ und der VDK unterstützt mit der Unterschriftenaktion „Abbau von Barrieren“. Wiederspiegeln sollte sich das im vielfältigen Programm der vielen Kooperationspartner die den Elisabeth Blochmann Platz mit buntem Leben füllten. Inklusion ist nur lebbar, also machten die teilnehmenden Organisationen mit ganz unterschiedlichen Mitmachaktionen das Erleben von Behinderung möglich.
Ein reichhaltiges Angebot an Infomaterial u.a. zur UN Behindertenrechtskonvention (auch in leichter Sprache), Universelles Bauen, barrierefreie Stadtplanung, Barriere-Checker, etc. zeigten Wege zu mehr Selbständigkeit , zu mehr Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung.
Bei der Begrüßung sagte der Schirmherr der Veranstaltung Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, dass Behinderung nicht das persönliche Problem des Menschen mit Behinderung bleiben dürfe, sondern es Aufgabe der Gesellschaft ist, Behinderungen und Barrieren zu beseitigen. Gelingt das, dann kann man von Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung sprechen.
Besonders war der 2. Aktionstag in Marburg, weil im Vorfeld bei den Schulen intensiv um aktive Teilnahme geworben wurde.
Viele Schüler probierten dann mit Neugierde, Erstaunen aber auch Freude aus, wie Gebärdensprache funktioniert, wie man blind auf eine Torwand schießt, wie man mit dem Rolli im Sand oder über Äste vorwärtskommt, wie sich simulierte Gesichtsfeldeinschränkungen des Auges u.a. bei MS auswirken, wie man mit Handschuhen Schleifen bindet oder Knöpfe schließt, wie das Gleichgewicht reagiert beim Gang über eine Luftmatratze, welche Hilfsmittel sich für was eignen und vieles mehr. Verständnis entsteht, Hemmschwellen im Kontakt mit Menschen mit Behinderung werden abgebaut und der etwas andere Blick auf die Umwelt wird nachvollziehbar.
Daneben wurden die Sinne kulinarisch gefordert, Kaffee und Kuchen regten zum gemütlichen Austausch über das Erlebte an, eine Oase in der Mitte bot Gelegenheit für Kinder zu malen oder bemalt zu werden.
Das Mitmachprogramm für alle ergänzte der Kinder und Jugendzirkus e.V., vermeintlich Nichtbehinderte kamen relativ schnell u.a beim Jongliere von Tellern und mit dem Einrad an ihre Grenzen.
Jeder Mensch ist also irgendwie Imperfekt.
Nicht im Protest stecken bleiben, sondern Handeln und zum Handeln aufrufen, das war bei allen Beteiligten deutlich spürbar. Mit den Worten des Sponsors des Aktionstages, der Aktion Mensch, gesprochen: „Das WIR gewinnt“.
Ein Bonbon zum Schluss. Ohne jede Scheu kam von sich aus ein kleiner Junge mit Down Syndrom und half dem auf den Rollstuhl angewiesen Gruppenleiter der Multiple-Sklerose Selbsthilfegruppe beim Abbau des Infostandes. Zur Belohnung gab es Süßes, eine echte win win Situation zum Abschluss, wie man nicht nur an den strahlenden Kinderaugen ablesen konnte.
Bernd Gökeler
Gutes Bundesteilhabegesetz jetzt
Demo für ein gutes Bundesteilhabegesetz
An der Demonstration in Berlin am 04.05.2016 für ein gutes Bundesteilhabegesetz nahmen auch 2 Mitglieder der Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf teil. Mit einer Kundgebung vor dem Kanzleramt mit anschließendem Protestmarsch Richtung Brandenburger Tor und dortigem Bühnenprogramm machten nach Angaben des Berliner Behindertenverbandes ca. 5.000 Teilnehmer auf die, aus ihrer Sicht, gravierenden Mängel des Bundesteilhabegesetzes aufmerksam. Motto: „Gegen die Verweigerung der Teilhabe mitten in der Gesellschaft.“
Die Abordnung aus der MS SHG, Heike Emmel und Christ Trilse, gehört zu den 7,5 Mio. Menschen mit Behinderung, denen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit der Überschrift „Deutschlands Zukunft gestalten“ ein modernes Bundesteilhabegesetz zugesichert wurde. Nach der Ratifizierung der UN Behindertenrechtskonvention 2009 sollte damit Inklusion in der Gesetzgebung verbindlich ankommen. Der nun vorliegende 369 Seiten starke Gesetzesentwurf
wird in vielen Stellungnahmen aber als unzureichend oder sogar Rückschritt bezeichnet.
Dr. Sigrid Arnade von der Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben geht sogar soweit, „besser kein Gesetz als dieses“.
Wesentlicher Punkt der Kritik ist, dass das lange erkämpfte Wunsch- und Wahlrecht mit einem Kostenvorbehalt versehen werden soll. Das heißt Menschen mit Behinderung können aus wirtschaftlichen Gründen auf die Unterbringung in Wohngruppen, früher Heimen, verwiesen werden. Die Wahl zu einer eigenen Wohnung hängt damit vom Willen des Kostenträgers ab. Nach Ansicht vieler ein klarer Verstoß gegen die UN BRK, in der die oberste Priorität kurz zusammengefasst lautet: nichts über uns ohne uns. Das Forum behinderter Jurist*innen ist „entsetzt darüber, was uns als Verbesserung zu verkaufen versucht wird“.
Die Bedürftigkeitsprüfung bleibt, bei etwas geänderten Vermögensfreigrenzen und gering geänderten Einkommensgrenzen. Wenn der Bezieher der Teilhabe-Leistung Grundsicherungsbezieher ist, was relativ häufig der Fall ist, ändert sich nichts. Allein die geringen Erwerbsunfähigkeitsrenten im Durchschnitt bei 613,- €, führen in die schon lange beklagte Armut durch Krankheit. Corinna Rüffer, SPD Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung forderte daher, „Behinderung darf nicht zur Armutsfalle werden“.
Große Kritik erhebt sich auch gegen die mögliche Verschiebung von Teilhabeleistungen in die Pflegekasse. Betroffene befürchten Objekt der Fürsorge zu bleiben und zwischen den beiden Kostenträgern noch mehr um ihr Recht kämpfen zu müssen.
Die Finanzierung der Teilhabeleistung bleibt in Händen der Bundesländer und Kommunen, während die 5 Mio. €, die ursprünglich zur zweckgebundenen Entlastung im Rahmen des Bundesteilhabegesetz geplant waren, längst von dieser Zweckbindung frei sind. Kern des Gesetzes ist selbst nach Angaben der Bundesregierung, keine Kostendynamik im Bereich Teilhabe zuzulassen. Das heißt, Inklusion ohne Mehrkosten. Die Vorsitzende des VDK sagte: „ohne ausreichende Finanzierung bleibt das Gesetz nur Papier mit gut gemeinten Worten“.
Der Gruppenleiter der MS SHG Marburg-Biedenkopf, der öffentlich für die Teilnahme an der Demo intensiv geworben hat, wundert sich über das geringe spürbare Engagement der großen Verbände. „Schließlich geht es bei der Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechtes um einen Rückschritt hinter die Zeiten der Integration. Freie Wahl der Wohnform, freie Wahl der Arbeitsform, freie Wahl des Betreuers, etc. sind Grundrecht. Es geht nicht um Luxus, sondern nur darum mit Behinderung so leben zu können wir alle anderen auch und das sichert nicht nur die UN BRK zu, sondern auch das Grundgesetz. Inklusion ist kein neues Vorrecht, sondern Teil des Grundgesetzes. „Der Staat hat die Voraussetzungen zu schaffen, dass allen Bundesbürgern ein menschenwürdiges Dasein und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht wird. Es ist Aufgabe des Staates, für soziale Gerechtigkeit und für den Ausgleich sozialer Gegensätze und Ungleichheiten zu sorgen.“ wie es das Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren ausgeführt hat. Bei der Verleihung des Karlspreises diese Woche hat Papst Franziskus die Forderung nach Inklusion noch kürzer auf den Punkt gebracht: „Aufgabe ist die Wandlung von der hindernislosen Gesellschaft zur sozialen Gesellschaft“. Das muss sich in einem Bundesteilhabegesetz das den Namen auch verdient wiederfinden,“ so Gökeler.
Nach Ansicht der beiden Mitglieder der MS SHG Marburg-Biedenkopf war die von der ISL zur Demo mitgebrachte Freiheitsstatue im Rollstuhl das passende Symbol. Freiheitsrechte gelten uneingeschränkt für alle Menschen.
Bernd Gökeler